Aus Hamburg für die ganze Welt

Der Name Beckerath steht seit Jahrzehnten für Hamburger Orgelbau.

Große Instrumente wie das in der Domkirche St. Marien und in der Hamburger Hauptkirche St. Petri stammen aus dieser renommierten Werkstatt. Der Orgelbauer Rudolf von Beckerath schuf bis zu seinem Tod 1976 einen spezifischen Orgelklang, der bis heute von den 13 Mitarbeitern des Unternehmens im Hamburger Stadtteil Tonndorf gepflegt wird. Geschäftsführer Holger Redlich erklärt im Interview, wie das funktioniert.

Rudolf von Beckerath bei Intonations- und Stimmarbeiten (1951), Foto: Staatsarchiv Hamburg, Signatur: 622-1150_59

Herr Redlich, woran arbeiten Sie gerade?

Wir bauen gerade eine Orgel für eine Kirchengemeinde in Kanada. Das Instrument hat ungefähr 25 Register, ist also eine mittelgroße Orgel. Das Besondere ist, dass dort in Kanada extreme klimatische Bedingungen herrschen. Deshalb können wir nicht so viel mit Massivholz arbeiten, wie wir gerne wollten, sondern müssen Schichthölzer verwenden, die klimaneutral sind. So ein Instrument ist sehr empfindlich, und wenn man im Winter lediglich fünf Prozent Luftfeuchtigkeit hat, schnurrt das ganze Holz zusammen und bekommt Risse.

Das heißt, man muss als Orgelbauer auch Physiker und Meteorologe sein. 

Das muss da alles mit hineinspielen – als Erfahrungswerte, die wir zum Glück haben, weil die Firma Beckerath seit den 1950er Jahren weltweit aktiv ist. Wir haben schon in allen Klimazonen Orgeln gebaut. Auf diese Erfahrung können wir zurückgreifen.

Ich möchte bei Ihnen eine Orgel bestellen, sage Ihnen, wie viel Geld ich habe und wie groß das Instrument sein soll. Wie geht es dann weiter?

Dann kommen wir erst einmal zu Ihnen und erkunden die Akustik des Raumes. Wir führen lange Gespräche mit Ihnen, welche musikalische Richtung Ihnen vorschwebt. Danach haben wir schon mal eine klangliche Idee. Die steht am Anfang der Überlegungen eines Orgelbauers. Der Kunde fängt oft mit der Optik an. Die kommt aber eigentlich erst im Nachgang. Man weiß zunächst einmal, wie viel Platz man bei den Wünschen des Kunden benötigt. Erst dann überlegt man, wie die Front der Orgel aussieht. Und da gibt es sehr viele Spielmöglichkeiten. Man kann das Instrument sehr traditionell und klassisch gestalten, aber auch sehr modern, und da sind wir für alle Richtungen offen. 

Foto: Firma Rudolf von Beckerath Orgelbau GmbH

Das heißt, die Kunden träumen vom Prospekt und Sie denken an die Innereien …

Wir denken vor allem an den Sound. Denn letztendlich ist die Orgel das einzige Instrument, das dem Raum folgen muss. Die Orgel hat keine vordefinierte Form wie die anderen Instrumente, sondern sie muss sich sozusagen dem Raum ergeben. Dazu kommt, dass eine Orgel auch eigene Bedürfnisse hat. Wenn die Pfeifen zu eng beieinander stehen, ist das so, als würde man Chorsänger zu dicht nebeneinander stellen. Das hört sich nicht gut an. Die Pfeifen brauchen Platz zum „Sprechen“, sagen wir als Orgelbauer. Daher ist der Platzbedarf erst einmal das Wichtigste, um den Klang zu erschaffen.

Wie lange brauchen Sie – beispielsweise bei der Orgel für Kanada – von der ersten Idee bis zum ersten Konzert?

Da geht ein Jahr ins Land. Das ist dann aber schon schnell. Wir haben Projekte, die beschäftigen uns vier bis fünf Jahre. 

Foto: Firma Rudolf von Beckerath Orgelbau GmbH

Wie viel Handarbeit steckt in so einer Orgel?

Da stecken einige Arbeitsstunden drin. Wir legieren die Pfeifen auch selber, das heißt, wir stellen die Platten her, aus denen die Pfeifen später geformt werden. Denn schon bei der Legierung und der Zusammensetzung muss man sich den späteren Klang vorstellen: Je mehr Zinn enthalten ist, desto kristalliner und trompetenartiger klingt das Ganze, und je mehr Blei, desto dumpfer und holzmäßiger. Und so muss schon beim Gießen klar sein, welchen Klang man am Ende haben möchte. Daher haben wir kaum Lagerbestände, sondern wir fangen jedes Mal wirklich bei null an.

Der Name Beckerath hat einen eigenen Klang in der Orgelwelt. Was ist das Besondere an Ihren Instrumenten?

In unseren Orgeln steckt der nordische Klang: Die charakteristische Klarheit im Ausdruck findet sich auch in unseren Instrumenten wieder. Da unterscheiden wir uns vom Stil her auch stark vom süddeutschen Orgelbau, bei dem die Klänge anders miteinander verschmelzen. Wir machen das für uns auch an dem nordischen Klima fest, am Wind und an der See – und an den Menschen.

Gibt es denn in der Welt noch genug Nachfrage nach neuen Orgeln?

In der Welt schon, in Deutschland weniger. Wir haben bei uns ja eher Kirchenzusammenschlüsse und Verkleinerungen. Neue Großbauten sind selten geworden, höchstens mal, wenn mehrere Gemeinden fusionieren und sich eine neue Orgel zulegen. Im Ausland passiert da wesentlich mehr. 

 Das Interview führte Daniel Kaiser.

Bugenhagenkirche Gr. Flottbek. Foto: Orgelstadt Hamburg e.V. – Fotograf: Alexander Voss
Erlöserkirche. Foto: Orgelstadt Hamburg e.V. – Fotograf: Alexander Voss
Orgel des St. Marien-Doms. Foto: Orgelstadt Hamburg e.V. – Fotograf: Alexander Voss

 

 


Headerfoto: Orgelstadt Hamburg e.V. – Fotograf: Alexander Voss