Kleiner Orgel-Technikführer

Einleitung

Die Orgel ist das größte und das teuerste Musikinstrument. Sie füllt große Kirchenräume und Konzertsäle mit vielstimmigen Klangfarben und doch kann sie von einem einzigen Interpreten gespielt werden. Wie funktioniert sie überhaupt? Hier ein kleiner Einblick in die Technik, in die Funktion, in das Entstehen der Musik.

Flentrop-Orgel der Hauptkirche St. Katharinen
Flentrop-Orgel der Hauptkirche St. Katharinen
Spieltisch der Flentrop-Orgel der Hauptkirche St. Katharinen
Spieltisch der Flentrop-Orgel der Hauptkirche St. Katharinen

1.

Orgelwind

Damit die Pfeifen einer Orgel klingen, benötigen sie eine Zufuhr von komprimierter Luft – den „Orgelwind“. Ein Keilbalg erzeugt so einen Wind. Er besteht aus beweglichen Holzplatten.

Der Balg wird zunächst mit Luft befüllt, dadurch hebt sich die obere Balgplatte. Dann wird diese Luft als „Wind“ durch das Eigengewicht der oberen Balgplatte verdichtet und in die Windkanäle der Orgel gedrückt.

Man braucht mehrere Keilbälge, um eine Orgel ununterbrochen mit Wind zu versorgen. Zur Feinjustierung des richtigen Drucks legen die Orgelbauer schwere Steine auf die obere Balgplatte.

In früheren Zeiten wurden die Keilbälge durch Helfer (sogenannte „Kalkanten“) mittels Fußhebeln oder durch Zugseile aufgezogen, um sie mit Luft zu befüllen. Heutzutage wird der Keilbalg mittels eines Motors aufgeblasen.

2.

Klangfarben

Zum „Spieltisch“ gehören Manual(e) (die Klaviaturen für Hände), Pedal (die Klaviatur für die Füße) und Registerzüge oder -schalter.

Register sind die Klangfarben der Orgel, man kann sie verschieden kombinieren und so die Orgelmusik klanglich gestalten.

Jede Orgel hat in ihrem Gehäuse viel mehr Pfeifen, als man von außen sehen kann. Für jede Taste hat sie mindestens eine Pfeife pro Klangfarbe.

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Pfeifen-Typen in der Orgel: Einmal sind das die Lippenpfeifen, die wie eine Blockflöte funktionieren. Und zum Anderen sind das die Zungenpfeifen, die wie eine Harmonika funktionieren, und innen eine kleine Metallzunge haben.

Lippenpfeifen sieht man häufig in der Fassade der Orgel, dem „Prospekt“. Sie sind meistens aus Metall, vor allem aus einer Legierung aus Blei & Zinn, manchmal aus Zink und seltener aus Kupfer – dann sehen sie rötlich aus – und manche aus Holz.

Die Länge ihres Körpers bestimmt die Tonhöhe – je länger er ist, desto tiefer klingt die Pfeife. Die Weite ihres Körpers bestimmt die Klangfarbe – je weiter er ist (im Verhältnis zur Länge), desto weicher und flötender klingt sie und je enger er ist, desto streichender. Orgelbauer nutzen daher die Proportionen der Pfeife (sie nennen sie „Mensuren“), um viele verschieden klingende Pfeifen zu bauen.

Der „Prinzipal“ ist das wichtigste Orgelregister und in jeder Orgel vertreten, man sieht ihn vor allem in der Fasse. Sein Klang typisch für die Orgel, tragend, kräftig, warm und voll. Prinzipale gibt es in vielen Tonhöhen.

Als „gedackt“ bezeichnet man Lippenpfeifen, deren Körper mit einem Deckel versehen ist. Dadurch klingt die ganze Pfeife tiefer – der praktische Effekt davon ist, dass man mit mit einem Deckel nur halb soviel Material für die Pfeife eines tiefen Tones braucht.

„Flöten“ sind weite Lippenpfeifen, sie heißen oft wie Instrumente, die sie imitieren, z.B. „Blockflöte“, „Querflöte“ und „Nachthorn“. Der Klang von Flöten-Registern ist grundtönig und etwas leiser als von Prinzipalen. Es gibt Flöten in vielen Tonhöhen.

Manual

Der Umfang der Klaviaturen ist geringer als auf einem Klavier. Anders als auf Klavier hat der Anschlag keine Auswirkung auf die Lautstärke. Ein angeschlagener Ton bleibt konstant.

Pedal

Auf dem Pedal bespielt der linke Fuß den linken Bereich (die Basslage) und der rechte Fuß den rechten Bereich (die Tenorlage) – so wie beide Füße natürlicherweise über dem Pedal schweben. Allerdings bewegen sich beide Füße häufig auf dem gesamten Pedalhin und her und spielen im Wechsel. Gespielt wird aus dem Fußgelenk, nicht aus den Beinen. Die Knie sind ruhig

Lippenpfeifen
Lippenpfeifen
Zungenpfeifen
Zungenpfeifen

„Streicher“ nennt man enge Lippenpfeifen. Sie heißen oft nach Streichinstrumenten, z.B. „Gambe“ oder „Violon“. Ihr Klang ist obertonreich, „streichend“ und etwas schärfer.

Ein besonderes Register in der Orgel ist die „Mixtur“. Bei ihr erklingen mehrere Pfeifen verschiedener Tonhöhen gleichzeitig. Sie verleihen dem Orgelklang als eine Klangkrone einen besonders strahlenden Charakter.

Zungenpfeifen haben in ihrem Inneren eine kleine Zunge, die durch die Windzufuhr zum Klingen gebracht wird. Je mehr Masse ihre schwingende Zunge besitzt, desto tiefer klingt sie.

Bei den Zungenpfeifen gibt es zwei grundsätzliche Typen: die Zungenpfeifen mit kurzem Becher und die Zungenpfeifen mit langem Becher. Die Becher können verschiedene Formen haben.

Zungenpfeifen sind gegenüber klimatischen Veränderungen besonders sensibel und müssen häufig gestimmt werden. Mit einem Stimmeisen wird die Zungenpfeife an der kleinen „Krücke“, die oben herausschaut, gestimmt.

Zungenpfeifen sind vor allem nach Blasinstrumenten benannt.

Langbechrige Zungenpfeifen heißen z.B. „Trompete“, „Krummhorn“ oder „Dulzian“.

Kurzbechrige Zungenpfeifen sind zum Beispiel die „Oboe d‘Amore“, die „Vox Humana“ oder das „Regal“.

3.

Spielen

Die Technik, die in der Orgel dafür sorgt, dass man mit einer Taste eine Pfeife steuern kann, heißt Traktur. Am häufigsten ist die Traktur ein mechanischer Hebelweg, die Traktur kann aber auch pneumatisch oder elektrisch gesteuert werden.

Die mechanische Traktur hat den Vorteil, dass der Organist / die Organistin den Klang direkt „in der Hand“ hat.

Die mechanische Traktur

Mit dem Druck auf die Taste setzt man einen Hebelweg in Gang, der über ein Wellenbrett schließlich zu den Windladen mit den Pfeifen führt und dort ein Tonventil öffnet.

Durch das Ziehen der Registerzüge wählt man Klangfarben. Das dazugehörende mechanische Register-Steuerungssystem heißt „Schleiflade“. Aufgereiht nach Tönhöhen und Registern stehen die Orgelpfeifen auf den „Windladen“. Unter allen Pfeifen verschiedenen Registers aber des gleichen Tones befindet sich eine kleine Luftkammer, die „Tonkanzelle“, die mit Luft gefüllt wird, sobald man einen Ton spielt.

Damit aber nicht jedesmal alle Register erklingen, wenn man einen Ton spielt, sitzen unter den Pfeifen die „Schleifen-Bretter“. Das sind einfach Holzbretter mit Löchern, die – durch das Ziehen der Register – so verschoben werden, dass entweder die Löcher unter den Pfeifen sind und so die Pfeifen klingen können, oder die Windzufuhr versperrt wird.


Wiebke Veth ist eine Grafikdesignerin, Illustratorin und nebenamtliche Kirchenmusikerin und lebt und arbeitet in Hamburg. Orgeln haben schon immer eine große Faszination auf sie ausgeübt. Die Illustrationen dieses Orgel-Technikführers sind ein kleiner Ausschnitt aus ihrem Buch „Mein kleines Manual zum Orgelspiel im Nebenamt“ über die Orgel, welches im ortus musikverlag erschienen ist.

Weitere Infos unter www.wiebkeveth.de
Bestellbar ist „Mein kleines Manual“ hier: http://www.ortus-musikverlag.de/de/varia/om303