30. Jun

Hamburger Orgelsommer in St. Michaelis: Jörg Endebrock

Eröffnungskonzert
Jörg Endebrock (Foto: Michael Zapf)

Oskar Fredrik Lindberg: Sonate g-Moll op. 23
Gerard Bunk: Einleitung, Variationen und Fuge über ein altniederländisches Volkslied op. 31
Joseph-Ermend Bonnal: Paysages euskariens (Landschaften des Baskenlandes)

Oskar Fredrik Lindberg gehört zu den bedeutendsten Komponisten Schwedens. Er studierte am Konservatorium seiner Heimatstadt Stockholm, wo er später auch als Professor wirkte. Er hinterließ ein umfangreiches kompositorisches Schaffen von mehr als 400 Werken, darunter eine Oper nach Texten von Selma Lagerlöf. Seine Orgelsonate aus dem Jahre 1924 erhält ihren Charme von vielen „Skandinavismen“, typischen harmonischen und melodischen Wendungen aus der nordischen Volksmusik, wie wir sie auch aus Edvard Griegs Kompositionen kennen. Die Sonate ist sehr orchestral angelegt und bezaubert durch viele lyrische Farben in den Mittelsätzen und eine dramatische und virtuose Energie in den Ecksätzen.

Der heutzutage fast unbekannte niederländische Komponist Gerard Bunk war zu seiner Zeit einer der berühmtesten und gefragtesten Orgelvirtuosen. Er wirkte an der Reinoldikirche in Dortmund, in der eine der damals größten deutschen Orgeln stand, gebaut von der Firma Walcker mit 105 Registern.
Die „Variationen“, die heute auf dem Programm stehen, sind eines der attraktivsten Werke Bunks und wurden auch von den Zeitgenossen sehr gerühmt. So schrieb z. B. Charles-Marie Widor: „…habe Ihre Variationen mit größtem Interesse gelesen – Wissenschaft, Einheit und Tiefe –- Tausend Glückwünsche“.
Nach einer machtvoll-dramatischen Einleitung erklingt das Thema der Variationen sehr leise in tiefer Lage und schält sich erst langsam heraus. Es ist das alte Volkslied „Hoe groot, o Heer“, ein Freiheitslied gegen die spanische Unterdrückung im 16. Jahrhundert.

Es entspinnen sich nun sieben Variationen:
I. die Melodie wird eingehüllt von einer sanften Bewegung aus Achtelnoten
II. reizvolle Rhythmik durch gleichzeitiges Erklingen von Triolen und Duolen
III. eine Art „Fandango“ mit spanisch angehauchter Rhythmik, vermutlich eine Anspielung auf den Liedtext
IV. die Melodie erklingt in der Trompete des Pedals, darüber schichten sich Akkordblöcke
V. eine sphärische Variation mit dem Register „Voix célèste“ (Himmlische Stimme)
VI. eine virtuos-toccatenhafte Variation, die, obwohl sie einstimmig ist, doch den Eindruck von Mehrstimmigkeit erzeugt. Bunk schreibt als Vortragsbezeichnung „volante“ (dahinfliegend)
VII. Variation als eine Art Schreittanz
Bunk greift nun zurück auf die Musik der Einleitung, die in eine Schlussfuge überleitet. Nach einer mächtigen Steigerung wird das Werk beschlossen und gekrönt von der Liedmelodie im Klang der vollen Orgel.

Joseph-Ermend Bonnal stammte aus Bordeaux und war 21 Jahre lang Direktor des Konservatoriums in Bayonne im französischen Baskenland, bevor er seine Karriere als Organist an der berühmten Orgel von St. Clothilde in Paris beendete. Sein bedeutendstes Orgelwerk ist der Zyklus „Landschaften des Baskenlandes“, der von einer tiefen Liebe zu den saftig-grünen Tälern und majestätischen Bergen dieses Landstrichs Zeugnis ablegt. Wundervoll, wie Bonnal im ersten Stück das besondere morgendliche Licht, das sich sanft im Frühnebel bricht, einfängt und nachzeichnet. Im zweiten Satz erklingt zunächst eine bukolische Schalmeienmelodie, die Bonnal kunstvoll weiterspinnt und in immer neue impressionistische Harmonien kleidet.
Der letzte Satz „Glocken im Himmel“ ist eine Liebeserklärung an die Bergkette der Pyrenäen, die sich majestätisch am Horizont erhebt und deren Gipfel wie gigantische Glocken im Himmel aufgehängt zu sein scheinen. Entsprechend herrscht hier eine Glockenmotivik vor, im rauschenden Geläut stürmt das Stück voran. In der Mitte des Satzes beruhigt sich das Geschehen und es übernimmt eine ausdrucksstarke Melodie, die in ihrer Gestalt einem gezackten Berg nachempfunden zu sein scheint, bevor der rauschende Beginn wieder aufgenommen und zu einem überwältigenden Schluss geführt wird. Eine der glanzvollsten und virtuosesten Toccaten der gesamten Orgelliteratur!

Jörg Endebrock


Jörg Endebrock wurde Anfang 2020 als Kantor und Organist an die Hamburger Hauptkirche St. Michaelis berufen und leitet dort mit dem Chor St. Michaelis einen der renommiertesten Chöre Norddeutschlands. Neben der Pflege eines breiten Repertoires von Monteverdi bis Martin setzt er mit den jährlichen Aufführungen des Weihnachtsoratoriums, der Matthäuspassion von Bach und des Brahms-Requiems lange Hamburger Traditionen fort.
Endebrock wurde 1970 in Osnabrück geboren und studierte ev. Kirchenmusik (A) in Hamburg sowie Orgel als Stipendiat des „Deutschen akademischen Austauschdienstes“ in Paris bei Susan Landale. Im Jahr 1999 schloss er das Aufbaustudium mit einem „Prix d´éxcellence“ sowie einem „Prix de virtuosité avec félicitations“ ab.
Er war Preisträger bei den Internationalen Orgelwettbewerben von Haarlem sowie Paris. Schon während seiner Studienzeit sammelte er wichtige Erfahrungen in renommierten Chören, u. a. im Chor des NDR. Von 1999 bis 2008 war er Kantor der Christuskirche Freiburg, von 2008 bis 2019 verantwortete er die vielfältige Musik an der Lutherkirche Wiesbaden und leitete den Bachchor Wiesbaden.
Als Konzertorganist übt er eine rege Konzerttätigkeit in Deutschland und seinen europäischen Nachbarländern aus. Rundfunkaufnahmen beim NDR, SWR, Deutschlandradio und bei Radio France sowie zahlreiche CD-Einspielungen runden das Bild seiner künstlerischen Tätigkeit ab.

Veranstaltungsort
Hauptkirche St. Michaelis
Englische Planke 1
20459 Hamburg
Datum
Mittwoch, 30. Juni 2021
Uhrzeit
19.00 Uhr
Ticketinfo
Karten: € 10,00 (zzgl. Vorverkaufsgebühr) - Ermäßigungen an der Abendkasse
Zusatzinformationen
Unnumerierte Plätze.