100 Jahre Orgeltagung Hamburg – Lübeck

1925 – 2025

Das Jahr 1925 ist für die Entwicklung des Orgelbaus und der Orgelmusik im 20. Jahrhundert ein epochales Datum. Ohne diese Orgeltagung unter der Leitung der Hamburger Künstlerpersönlichkeit Hans Henny Jahnn wäre der Wert der Schnitger-Orgel in St. Jacobi nicht erkannt und das Instrument im II. Weltkrieg nicht durch Ausbau geschützt worden. Das größte erhaltene Originalinstrument Schnitgers wäre heute nicht mehr da. So aber wurde diese Tagung die Geburtsstunde des Neo-Barock

Geburtsstunde des Neo-Barock

Albert Schweizer im Gespräch über die Entwicklung des Orgelbaus.
Albert Schweizer im Gespräch über die Entwicklung des Orgelbaus. Foto: Gemeindearchiv St. Jacobi

Die Orgeltagung Hamburg-Lübeck unter der Leitung Hans Henny Jahnns wurde zum Startpunkt für eine neue Ausrichtung des Orgelbaus. An der Tagung nahmen renommierte Organisten und Orgelbauer teil. Die Rückbesinnung auf die Orgelkunst der Renaissance und des Barock hatte bereits vorher begonnen. Albert Schweitzer, Emil Rupp u. a. reagierten auf die Entwicklung des Orgelbaus hin zu immer größeren, orchesterähnlichen, seriell und nicht mehr kunsthandwerklich hergestellten Instrumenten. Sie plädierten mit Jahnn für die Rückbesinnung auf die Prinzipien des Orgelbaus des Barock. Vorbilder waren vor allem die Orgeln von Silbermann und Schnitger

Inspiriert von den historischen Originalinstrumenten sollte das Klangbild nicht mehr orchestral-dynamisch sondern polyphon-durchsichtig sein, hell und strahlend. Das bedeutete die Rückkehr der „Schnarrwerke“ (z. B. Regal, Krummhorn oder Vox humana) in die Orgel, eine neue Liebe zu färbenden Teiltonstimmen, sog. Aliquoten, und Lust an hohen Klangkronen, den Mixturen. Gegen die Musik der Romantik grenzte man sich ab. Bach und Buxtehude standen im Fokus und inspirierten Komponisten wie Pepping, David, Distler, Hindemith und mit ihnen eine ganze Orgelmusikepoche.

 


Aus Hamburg in die Welt

Zeichnung von Julius Faulwassser einer neobarocken Orgel.
Zeichnung von Julius Faulwassser der Schnitger Orgel von St. Jacobi. Foto: Gemeindearchiv St. Jacobi

Die neobarocke Orgel sollte durch ihr Äußeres den inneren Aufbau sichtbar machen, der wieder klar abgegrenzte Werke (Pedal, Hauptwerk, Brustwerk, Oberwerk, Pedal) hat, die jeweils einer Klaviatur zugeordnet sind. Der sog. „Hamburger Prospekt“ der Schnitgerzeit mit seiner klaren Gliederung wurde stilbildend. Die Fassade vieler neobarocker Orgeln fußt optisch auf den Bauprinzipien der Schnitger-Zeit.

Ohne die Orgeltagung Hamburg-Lübeck wäre das Gesicht der Orgelstadt Hamburg zu fast 50% ein völlig anderes. Und es klänge auch anders. In Hamburg entstand nach 1945 durch die vielen neuen Kirchen und die damit verbundenen Orgelneubauten eine in dieser Größe einmalige neobarocke Orgellandschaft.

Die Ideale des „klassischen“ Orgelbaus prägen die Epoche des Neobarock seit 1925 nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland und sogar international. Äußerlich erkennbar an Hamburgs vermutlich größtem Exportschlager, dem sogenanten Hamburger Prospekt. Nicht nur durch den Hamburger Orgelbauer Rudolf v. Beckerath wurden die Ideale der Orgeltagung Hamburg / Lübeck stilbildend in Hamburg, Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt prägend.

Bild der Orgel der Hauptkirche St. Petri. Foto: Orgelstadt Hamburg e.V. – Fotograf: Alexander Voss
Orgel der Hauptkirche St. Petri. Foto: Orgelstadt Hamburg e.V. – Fotograf: Alexander Voss

Infos zum Hamburger Prospekt finden Sie hier.

Hans Henny Jahnn schließlich verwirklichte seine „neuen-alten“ Ideale in drei Neubauten ganz eigener Art, von denen zwei in Hamburg noch erhalten sind.

 


Headerfoto: Gemeindearchiv St. Jacobi

Weitere Informationen

Monatsheft für katholische Kirchenmusik. (Download)
Artikel von Dr. Thomas Lipski zu 100 Jahre Orgelbewegung (ars organi). (Download)